AVANTGARDE

Jede Epoche produziert ihre eigenen Symbole. Daher ist auch die Kunst einer ständigen Veränderung unterworfen. Die Entstehung des Neuen in der Malerei folgt als Reflexion gesellschaftlichen Prozessen und Erscheinungen sowie neuen technischen Möglichkeiten. Solange sich diese ändern, wird sich die Kunst auch immer wieder verändern. Das bedeutet nicht, dass dieser immerwährende Impetus eine Besonderheit darstellt oder die Kunst sich stetig zu höherer Erkenntnis und Qualität entwickelt. Dieser Eindruck entsteht wahrscheinlich durch die frühe Wahrnehmung und Reaktion der Künstler auf neue Entwicklungen und Veränderungen, die im Allgemeinen erst später zu gesellschaftlicher Aufmerksamkeit führen.


ARCHITEKTONISCHE ELEMENTE

Abstrakte geometrische Objekte und irreale Perspektiven spielen vor allem in der Serie „subversive Malerei“ eine Rolle. Diese Elemente sind dem Bedürfnis geschuldet, dem Auge in der vorherrschenden Unübersichtlichkeit des Bildraumes etwas räumliche Orientierung und Richtung zu bieten. Meine berufliche Herkunft als Architekt ist vielleicht ein anderer Grund.


BILD UND WAHRNEHMUNG

Jedes Bild ist abstrakt und ein Betrug an der Realität, Täuschung, Illusion, Farbe und Linien auf Leinwand. (Dies ist die zeitgemäße profane Erkenntnis.) Trotzdem sind wir als Menschen gewillt, das was wir sehen, als real, als wahr anzunehmen und zu akzeptieren. Wir sehnen uns geradezu danach betrogen zu werden. Je perfekter der Betrug ausgeführt wird, also etwas „wiedererkannt“ werden kann, umso größer ist auch heutzutage die Freude beim Publikum. Ungegenständliche Malerei ist schwieriger und schwerer zu erfassen und gleichfalls aufrichtiger in ihrer Haltung.


DRIP-PAINTING

Das ist eine Arbeitsweise zu der ich immer wieder gerne zurückkomme. Dabei arbeite ich mit den Möglichkeiten von getropften, verlaufenden und gespritzten Farben. Es geht um das Experimentieren, das Ausbalancieren zwischen Zufall und kalkulierten Interventionen, zwischen Rationalität und Chaos. Manchmal ist der Ausgangspunkt die Zufälligkeit eines Zwischenergebnisses. Ein anderes Mal steht gesteuertes manipuliertes Vorgehen am Anfang und die Dinge nehmen ihren Lauf. Die Arbeiten verweisen mitunter ironisch auf malerische Traditionen. Auch Fragen der Rahmung und des Bildes-im-Bild kommen in den Blick. Entsprechend der Technik fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus.


FOTOGRAFIE

Als eigenständige Kunst interessiert mich Fotografie äußerst selten. Als Vorlage für neue Bilder benutze ich manchmal Fotografien, um mit alternativen malerischen Konzepten zu experimentieren (z. B. umfassende Veränderung der Farbgebung, des Vorder- und Hintergrunds oder Verzerrung des Räumlichen Diese Technik bietet den Vorteil mich ausschließlich auf einzelne Aspekte eines Bildes zu konzentrieren, da das Gerüst bereits existiert.


GUTE KUNST

Absolute Kriterien für „ gute Kunst“ gibt es nicht. Ästhetische Qualitätsurteile sind gelernt, durch Konventionen gesetzt und deshalb immer strittig. Die soziale Komponente spielt in der Rezeption immer eine Rolle. Natürlich gibt es in der Malerei Unterschiede: in der Formensprache, in der Benutzung der Materialien, der handwerklichen Ausführung usw. Diese Unterschiede lassen sich jedoch nicht an übergreifenden Qualitätskategorien messen. Delacroix entspricht der Ästhetik des Spätbarock, Banksy der Street-Art.
Viele berühmte Maler und Gemälde sind erst viel später kanonisiert worden, wie das Beispiel der Mona Lisa zeigt. Das Bild ist erst dadurch so bekannt und dann als Gemälde berühmt geworden, als es aus dem Musée du Louvre 1911gestohlen wurde, erst 1913 wieder dort zu sehen war und es in dieser Zeit durch zahlreiche Presseberichte bekannt wurde. In der Wissenschaft spricht man vom Mere-Exposure-Effekt, der besagt, dass wir alles umso mehr mögen, je öfter wir es wahrgenommen haben. Unser Gehirn freut sich, wenn es Reize wiedererkennen, einordnen und vorhersagen kann. Wenn sich ein Bild auf einen bekannten Stil bezieht, gefällt es uns eher. Die Hervorhebung und Kanonisierung bestimmter Künstler, Werke und Stile verrät mehr über das Distinktionsbemühen derer, die dies betreiben als über die jeweiligen Werke und deren Qualität. (Anregungen zu diesen Überlegungen verdanke ich einem Interview mit Melanie Wald-Fuhrmann in der Zeit Nr.53, 12-2022)


HANDWERK

Das handwerkliche Arbeitenist das, was ich an der künstlerischen Arbeit als Maler besonders schätze. Es ist für mich verbunden mit sinnlicher Wahrnehmung, dem Geruch der Farben und Malmittel, der Auswahl und der Handhabung der unterschiedlichen Werkzeuge, dem Bespannen der Leinwand usw. Die Spuren von Farbschlieren, Flecken oder Verwischungen sind für mich Teil des haptischen Ausdrucks, Spuren des Entstehungsprozesses und Symbole der Herkunft.


HUMOR

Was ich sehr bedaure, ist die fast vollständige Abwesenheit von Humor in der zeitgenössischen Kunst. Es scheint sich bei der zeitgenössischen Malerei um eine sehr wichtige, bedeutende und ernste Angelegenheit handeln, quasi sakral.


INTERESSE AN DER MALEREI

Mein Elternhaus war nicht besonders künstlerisch interessiert. Es wurde Tageszeitung gelesen und Bücher aus dem Buchclub ins Regal gestellt. Es gab eine gewisse Achtung vor Bildung, Akademikern, Künstlern und künstlerischen Werken. Meine Hinwendung zur Malerei überhaupt wurde wahrscheinlich durch den Umstand begünstigt, dass ich als Kind Zeichnen und Malen ungestört ausprobieren konnte. Für meine beiden Schwestern und mich gab es keine eigenen Zimmer und keinen eigenen Rückzugsbereich. Schularbeiten machten wir am Esstisch. Ich erinnere mich aber daran, dass ich beim Zeichnen oder Malen in Ruhe gelassen wurde und diese Tätigkeit von allen respektiert wurde. Dies war für mich eine Insel im Familienleben und ich habe dadurch wohl Geduld und gewisse Fertigkeiten entwickeln können.


KUNST UND KOMMUNIKATION

Kunst ohne Kommunikation ist nicht denkbar, sie bedingen einander. Die Sprache mit der kommuniziert wird, ist eine Symbolsprache. Wir denken in Bildern. Wenn wir „Tisch“ sagen, dann stellen wir uns keinen Hasen vor. Stattdessen wird bei uns allen das gleiche Bild im Kopf erzeugt. Jedes Zeitalter erzeugt seine eigenen Symbole. Neben den Symbolen des Alltäglichen gibt es jene, welche die Gesellschaft beschreiben, die Machtverteilung deuten. Kunst benutzt im Idealfall diese kollektiven, sowohl abstrakten als auch alltäglichen Symbole, stellt sie in neue Zusammenhänge und hinterfragt damit nicht nur den Symbolgehalt sondern auch die dahinter liegenden Realitäten, Zusammenhänge und Strukturen.


MALEREI ERKLÄREN

Auf Ausstellungen werde ich öfter gefragt, was ich mir bei einem Bild gedacht habe oder welche Idee dahintersteckt. Ich kann mit dieser Frage wenig anfangen. Wenn ich Interesse hätte, meine Malerei zu erklären oder zu beschreiben, wäre ich Schriftsteller oder Journalist geworden. Die Sprache der Kunst ist in meinem Fall die Malerei. Und das Geheimnis besteht darin, dass die Farben, Formen, Zeichen und Symbole mehrdeutig sind. Kunst, für die man nur Interesse und Verständnis entwickelt, wenn man Erläuterungen und Erklärungen erhält ( in dem man also Wissen ansammelt) verliert das Offene und Geheimnisvolle.


MODERNE MALEREI

zeitgemäße Malerei ist nur dann moderne Malerei, wenn ich mich als Maler dieser Zeit ausdrücke (Stil) und verorte (Inhalt). Solange erkennbar ist, dass künstlerisch ein Risiko eingegangen wird, das so nur heute eingegangen werden kann, solange interessiert mich moderne Malerei. Ohne Risikobereitschaft entsteht auch in der Malerei nichts Neues, Überraschendes oder Verstörendes.


POLITIK

In der gegenwärtigen Künstlerschaft ist eine ausgeprägte Abneigung, ja geradezu Feindlichkeit gegenüber Politik und Politikern zu finden, die über Kritik weit hinaus reicht. Ich bin mir nicht im Klaren woher die oft abschätzige und bisweilen herabwürdigende Haltung kommt. Historisch gab es das schon des Öfteren und war Vorzeichen des Beginns eines erodierenden gesellschaftlichen Zusammenhalts.


PROZESS

In meinen abstrakten Bildern bevorzuge ich inzwischen häufig eine prozesshafte Vorgehensweise, ausgehend von unwillkürlichen Malaktionen, die eine Folie bilden für fortschreitende Malentscheidungen. Die Entwicklung ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen dem unwillkürlich spontan Gemalten und dessen Wirkung und Einfluss auf mich. Sie bildet die Grundlage meiner weiteren Vorgehensweise und führt mich bestenfalls zu neuen Ideen und Entscheidungen .


STIL

Ich bin kein Freund eines signifikanten malerischen Stils. Es ist nicht so, dass ich das ablehne. Aber es entspricht einfach nicht meiner Mentalität und Methode in der Malerei. Außerdem würde ich mich in meinen malerischen Entscheidungen eingeschränkt fühlen. Auf die Freiheit sowohl abstrakte, „realistische“ oder narrative Bilder zu kreieren, würde ich nicht verzichten wollen.

English version

AVANTGARDE

Every era produces its own symbols. Therefore, art is also subject to constant change. The emergence of the new in painting follows as a reflection of social processes and appearances as well as new technical possibilities. As long as these change, art will also change again and again. This does not mean that this perpetual impetus is special or that art is constantly developing towards higher knowledge and quality. This impression is probably created by the early perception and reaction of artists to new developments and changes, which generally only later lead to social attention.


ARCHITECTURAL ELEMENTS

Abstract geometric objects and unreal perspectives play a role especially in the series "subversive painting". These elements are due to the need to offer the eye some spatial orientation and direction in the prevailing obscurity of the pictorial space. My professional background as an architect is perhaps another reason.


IMAGE AND PERCEPTION

Every painting is abstract and a fraud on reality, deception, illusion, paint and lines on canvas. (This is the contemporary mundane perception). Yet, as humans, we are willing to accept and embrace what we see as real, as true. We virtually long to be deceived. The more perfectly the deception is executed, i.e. something can be "recognized", the greater is the pleasure of the audience, even nowadays. Non-representational painting is more difficult and harder to grasp and equally more sincere in its attitude.


DRIP-PAINTING

This is a way of working that I like to come back to again and again. I work with the possibilities of dripped, running and sprayed colors. It is about experimenting, balancing between chance and calculated interventions, between rationality and chaos. Sometimes the starting point is the randomness of an intermediate result. Other times, controlled manipulated proceeding is at the beginning and things take their course. The works sometimes ironically refer to painterly traditions. Questions of framing and the picture-within-a-picture also come into view. According to the technique, the results turn out very differently.


PHOTOGRAPHY

As an independent art, photography interests me extremely rarely. As a model for new paintings, I sometimes use photographs to experiment with alternative painterly concepts (e.g., extensive changes in coloring, foreground and background, or distortion of spatiality). This technique offers the advantage of allowing me to focus exclusively on individual aspects of a painting, since the framework already exists.


GOOD ART

Absolute criteria for "good art" do not exist. Aesthetic quality judgments are learned, set by convention and therefore always controversial. The social component always plays a role in the reception. Of course, there are differences in painting: in the language of form, in the use of materials, in the craftsmanship, and so on. However, these differences cannot be measured by overarching quality categories. Delacroix corresponds to the aesthetics of the late baroque, Banksy to street art. Many famous painters and paintings were only canonized much later, as the example of the Mona Lisa shows. The painting only became so well known and then famous as a painting when it was stolen from the Musée du Louvre in 1911, was not seen there again until 1913, and it became famous during this time through numerous press reports. In science, we speak of the mere-exposure effect, which states that the more often we have perceived something, the more we like it. Our brain is happy when it can recognize, classify and predict stimuli. If an image relates to a familiar style, we are more likely to like it. The highlighting and canonization of certain artists, works and styles reveals more about the efforts of distinction of those who do this than about the respective works and their quality. (I owe suggestions for these considerations to an interview with Melanie Wald-Fuhrmann in Zeit No.53, 12-2022).


CRAFTS

The craft work is what I particularly appreciate in the artistic work as a painter. For me it is connected with sensual perception, the smell of the colors and painting materials, the selection and the handling of the different tools, the covering of the canvas etc.. The traces of color streaks, stains or smudges are for me part of the haptic expression, traces of the process of creation and symbols of origin.


HUMOR

What I regret very much is the almost complete absence of humor in contemporary art. It seems that contemporary painting is a very important, significant and serious matter, quasi-sacred.


INTEREST IN PAINTING

My parents' house was not particularly interested in art. Daily newspapers were read and books from the book club were put on the shelf. There was a certain respect for education, academics, artists and artistic works. My turning to painting in general was probably favored by the fact that as a child I could try out drawing and painting undisturbed. For my two sisters and me there were no separate rooms and no separate retreat. We did our schoolwork at the dining table. However, I remember that when I was drawing or painting, I was left alone and this activity was respected by everyone. This was an island in family life for me and I think I was able to develop patience and certain skills as a result.


ART AND COMMUNICATION

Art without communication is unthinkable, they are mutually dependent. The language used to communicate is a symbolic language. We think in images. When we say "table," we don't picture a rabbit. Instead, the same image is generated in the minds of all of us. Each age generates its own symbols. Besides the symbols of the everyday, there are those that describe society, that interpret the distribution of power. Art ideally uses these collective, both abstract and everyday sym-blems, places them in new contexts and thus questions not only the symbolic content but also the realities, connections and structures behind them.


EXPLAIN PAINTING

At exhibitions I am often asked what I thought of a painting or what idea lies behind it. I can do little with this question. If I were interested in explaining or describing my painting, I would have become a writer or journalist. The language of art in my case is painting. And the secret is that the colors, shapes, signs and symbols are ambiguous. Art, for which one develops only interest and understanding, if one receives explanations and explanations (in which one accumulates thus knowledge) loses the open and mysterious.


MODERN PAINTING

contemporary painting is only modern painting, if I express myself as a painter of this time (style) and locate (content). As long as it is recognizable that artistically a risk is taken, which can be entered so only today, as long as modern painting interests me. Without a willingness to take risks, nothing new, surprising or disturbing will emerge in painting.


POLITICS

In the current artistic community there is a pronounced dislike, even hostility towards politics and politicians, which goes far beyond criticism. I am not clear where the often disparaging and sometimes belittling attitude comes from. Historically, this has happened many times before and was a sign of the beginning of eroding social cohesion.


PROCESS

In my abstract paintings I now often prefer a processual approach, starting from involuntary painting actions that form a foil for progressive painting decisions. The development results from the interaction between the involuntary spontaneously painted and its effect and influence on me. It forms the basis of my further proceeding and leads me at best to new ideas and decisions.


STYLE

I am not a friend of a significant painterly style. It is not that I reject it. But it just does not correspond to my mentality and method in painting. Besides, I would feel restricted in my painterly choices. I would not want to give up the freedom to create both abstract, "realistic" or narrative paintings.